Wir schreiben das Jahr 2019 und mit dem Internet haben sich leider auch allerlei abstruse Strömungen verbreitet. In einschlägigen Foren und Kanälen kursieren die verschiedensten Theorien von A wie Aliens bis Z wie Zionismus. Jedem steht es selbstverständlich frei, diesen Portalen Vertrauen zu schenken, jedoch möchte ich im Folgenden zumindest auf die Methoden solcher Seiten hinweisen.
Bekannte Portale sind beispielsweise die „Wissensmanufaktur“ von Andreas Popp, das spirituell angehauchte NuoVisoTV mit Michael Vogt oder das von Ken Jebsen geführte KenFM. Auf letzteres möchte ich hier im speziellen eingehen, da ich glaube, dass es sich der breiten Masse am authentischsten als alternatives Presseportal verkauft. Politische Inhalte stehen hier weniger im Vordergrund als der linguistische Aspekt.
Professor Doktor Glaubwürdig
In den von KenFM produzierten Videos wird dem Gast bereits in der Anmoderation eine besondere Glaubwürdigkeit unterstellt, indem man seine bisherigen Produkte oder akademischen Titel hervorhebt. Dass akademische Titel allerdings nicht zwingend glaubwürdig machen, weiß man spätestens seit Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg oder Doktor Axel Stoll.
Ein Moderator hat die Pflicht, neutral und kritisch zu sein. Ken Jebsen hingegen verwendet in seinen Moderationen wertende Begriffe und rekurrente Schlagwörter („Bombenstimmung!“) Obwohl er lediglich die Aufgabe hat, Fragen zu stellen, nimmt sein Redepart oft mehr Zeit ein als die des Befragten. Jebsen stellt eine Frage, die eine gewisse Stimmung erzeugt, in eine gewisse Richtung lenkt oder Personen mit bestimmten Attributen belegt, nickt die Antwort des Gastes ab und stellt dann die nächste Frage in den Raum.
Die üblichen Verdächtigen
Guter Journalismus bedeutet, sich kritisch mit einer Sache auseinander zu setzen. Kritische Auseinandersetzung bedeutet, auch Gegenpositionen mit einzubeziehen. Man bezieht allerdings keine Gegenpositionen mit ein, wenn man ausschließlich Gäste aus dem eigenen Spektrum einlädt, von denen man in der Regel keine Gegenargumentation zu befürchten hat. Gerngeladener Dauergast ist beispielsweise Willy Wimmer (CDU), der durch seine Rolle als ehemaliges Mitglied des Verteidigungsministeriums für zusätzliche Glaubwürdigkeit sorgt, in letzter Konsequenz aber eigentlich für das eingeladen wird, was er nicht von sich gibt: Widerworte. (Standard-Dialogform: Jebsen: “Man könnte es doch so formulieren….” Wimmer: “Jaja, das kann man schon so sagen”). Meist fußen die im Gespräch behandelten Thesen auf einem Buch des Gastes, dass dieser im Zuge seines Öffentlichkeitsauftritts vermarkten kann, wodurch letztlich beide Seiten profitieren. In späteren Sendungen untermauert Jebsen dann seine Thesen dadurch, dass er auf jene Bücher verweist.
Das V-Wort
Portale jener Art versuchen eine Werteverschiebung bei dem Begriff Verschwörungstheoretiker herbeizuführen, um sich und ihre Anhängerschaft präventiv gegen derartige Anschuldigungen zu schützen. Das Wort Verschwörungstheoretiker wird als diffamierender Begriff gewertet, der lediglich zur Diskriminierung gebraucht würde. Stattdessen werden Begriffe wie Querdenker oder Freigeist verwendet, um dem Konzept des Irregeführten einen positiven Anstrich zu verleihen.
KenFM hebt sich von anderen fragwürdigen Portalen wie beispielsweise NuoVisoTV dadurch hervor, dass offensichtlich absurde Themen wie Reptilienmenschen, Juden-Verschwörungen und Geister-Geschichten nicht ins Programm aufgenommen werden. Man beschränkt sich stattdessen auf Thesen bezüglich Amerikas Globalpolitik, dem allgemeinen Finanzwesen oder der Großindustrie. Dadurch, dass ausschließlich mit real existierenden Themen Angstmache betrieben wird, hofft man das Verschwörer-Prädikat abzustreifen. Allerdings sollte man sich dann dem womöglich treffenderen Begriff „Hetzer“ stellen.
Selbstvermarktung als Team Wallraf 2.0
Permanent wird der Eindruck vermittelt, man würde von allen Seiten manipuliert werden, die Welt stünde quasi kurz vor dem dritten Weltkrieg und nichts und niemand sei mehr sicher vor dem großen, unsichtbaren Feind. Damit wird eine gezielte Grundstimmung von Hass, Unsicherheit und Angst erzeugt. Eine Stimmung, für die KenFM im nächsten Schritt auch gleich seine Patentlösung anbietet: Die vorgeblich unverfälschte Berichterstattung einer selbsternannten Institution des Enthüllungsjournalismus.
Fazit
Selbstverständlich sind auch ‚etablierte Leitmedien‘ nicht frei von Fehlern und zum Teil wird auch dort effekthascherisch, tendenziös und unprofessionell gearbeitet. Leider bedeutet das nicht, dass man auf Seiten wie KenFM vor so etwas sicher ist. Zwar bieten andere Portale wie Jung & Naiv oder HerrNewstime eine weniger dubiose Aufarbeitung von aktuellen Sachthemen, jedoch gilt, dass jedwede Inhalte aus dem Netz grundsätzlich mit einem kritischen Auge betrachtet werden sollten.
Dem ist nichts mehr hinzufügen. Eine Portion gesunden Rationalismus vorausgesetzt, eignen sich die im Artikel erwähnten Portale und Personen bzw. deren zum Teil abstruse Weltanschauungen (die Sonne ist kalt, da staunen Sie, was?), aber auch Gegenpositionen Andersdenkender jedoch hervorragend zur Unterhaltung. So hat es am Ende doch etwas Gutes. 🙂